Fokus auf ESG: Das deutsche Gesetz zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette

Im Sommer 2021 hat der deutsche Gesetzgeber das Lieferkettengesetz verabschiedet, um deutsche Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten zu verpflichten, um die Einhaltung von Menschenrechten und materiellen Standards innerhalb von Lieferketten zu verbessern. Im folgenden Beitrag gibt Solerte einen Überblick über die Anforderungen des Gesetzes und seine Auswirkungen.  

Am 11. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag das Lieferkettengesetz verabschiedet. Das Gesetz wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Das Lieferkettengesetz wird den Unternehmen Sorgfaltspflichten zur Einhaltung der Menschenrechte und zum Schutz der Umwelt auferlegen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als zuständiges Ressort hat eine englische Übersetzung des Gesetzestextes zur Verfügung gestellt, die hier abgerufen werden kann. 

Anwendungsbereich - § 1: Das Gesetz gilt ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform, die (1) ihren Hauptsitz, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren eingetragenen Sitz in Deutschland haben und (2) in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Ab dem 1. Januar 2024 gilt das Gesetz für Unternehmen mit in der Regel 1.000 oder mehr Beschäftigten. Die Verpflichtung gilt immer für die Muttergesellschaft in Deutschland. Bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl der Konzernmutter sind die Mitarbeiter aller zum Konzern gehörenden Unternehmen weltweit zu berücksichtigen. 

Menschenrechte - § 2: Menschenrechte im Sinne dieses Gesetzes sind jene, die sich aus den in den Nummern 1 bis 11 des Anhangs aufgeführten Konventionen ergeben. Ein menschenrechtliches Risiko ist ein Zustand, in dem aufgrund tatsächlicher Umstände die begründete Wahrscheinlichkeit einer Verletzung eines der folgenden Verbote besteht: 1) Verbot der Kinderarbeit unterhalb des zulässigen Mindestalters, 2) Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit für Kinder unter 18 Jahren, 3) Verbot der Sklaverei und sklavereiähnlicher Praktiken, 4) Zwangsarbeit, 5) Missachtung des Arbeitsschutzes, 6) Diskriminierung (Alter, Rasse, Behinderung), 7) Vorenthaltung eines angemessenen Lohns, 8) Missachtung der Vereinigungsfreiheit (Gewerkschaften), 9) Verursachung von schädlichen Bodenveränderungen, Wasser- und Luftverschmutzung, schädlichen Lärmemissionen und übermäßigem Wasserverbrauch, 10) rechtswidrige Räumung/Entnahme von Land, Wäldern, Gewässern, 11) Anstellung oder Einsatz von privaten oder öffentlichen Sicherheitskräften, 12) Unterlassung von darüber hinausgehenden Pflichtverletzungen 

Definition der Lieferkette - § 2 Abs. 5: Die Lieferkette im Sinne dieses Gesetzes bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen notwendig sind, beginnend mit der Gewinnung der Rohstoffe und endend mit der Lieferung an den Endkunden und umfasst 1. die Handlungen eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich, 2. die Handlungen eines direkten Lieferanten und 3. die Handlungen eines indirekten Lieferanten. 

Sorgfaltspflichten - § 3: Die Sorgfaltspflichten umfassen: Die Einrichtung eines Risikomanagementsystems (§ 4 (1)), die Festlegung einer innerbetrieblichen Verantwortung (§ 4 (3)), die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5), die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung (§ 6 (2)), die Festlegung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 (1) und (3)) und gegenüber direkten Lieferanten (§ 6 (4)), die Ergreifung von Korrekturmaßnahmen (§ 7 (1) bis (3)), die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8), die Umsetzung der Sorgfaltspflicht in Bezug auf Risiken bei indirekten Lieferanten (§ 9) sowie die Dokumentation (§ 10 (1)) und Berichterstattung (§ 10 (2)). 

Risikomanagement - § 4 - sieht vor, dass ein angemessenes und wirksames Risikomanagement eingerichtet und durch geeignete Maßnahmen in alle relevanten Geschäftsprozesse eingebettet werden muss. Die Unternehmen müssen einen Menschenrechtsbeauftragten benennen. Die Geschäftsleitung muss sich regelmäßig, mindestens jährlich, über die Arbeit des oder der Verantwortlichen informieren. 

Risikoanalyse - § 5: Mit einer angemessenen Risikoanalyse sollen die Menschenrechts- und Umweltrisiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei direkten Lieferanten identifiziert werden. Die Risiken sind angemessen zu gewichten und zu priorisieren. Die Ergebnisse der Risikoanalyse müssen intern an die relevanten Entscheidungsträger, wie z.B. die Geschäftsführung oder den Einkauf, kommuniziert werden. Die Risikoanalyse ist einmal pro Jahr und ad hoc durchzuführen.

Grundsatzerklärung und Präventivmaßnahmen - § 6: Stellt ein Unternehmen im Rahmen einer Risikoanalyse ein Risiko fest, muss es unverzüglich geeignete Präventivmaßnahmen ergreifen. Das Unternehmen muss eine Grundsatzerklärung zu seiner Menschenrechtsstrategie abgeben und geeignete Präventivmaßnahmen im eigenen Geschäftsbetrieb verankern. Durch die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken sind identifizierte Risiken zu vermeiden oder abzuschwächen. Es sind Schulungen in den relevanten Geschäftsbereichen durchzuführen. Durch die Umsetzung von risikobasierten Kontrollmaßnahmen ist die Einhaltung der in der Grundsatzerklärung enthaltenen Menschenrechtsstrategie im eigenen Geschäftsbereich zu überprüfen. Das Unternehmen muss geeignete Präventivmaßnahmen gegenüber einem direkten Zulieferer verankern. Bei der Auswahl eines Direktlieferanten sind die menschenrechtlichen und ökologischen Erwartungen zu berücksichtigen. Von einem Direktlieferanten sind vertragliche Zusicherungen zu verlangen, dass er die von der Unternehmensleitung geforderten Menschenrechts- und Umweltanforderungen einhält und diese entlang der Lieferkette angemessen berücksichtigt. Die Vereinbarung geeigneter vertraglicher Kontrollmechanismen und die Durchführung von Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen zur Durchsetzung der vertraglichen Zusicherungen des unmittelbaren Zulieferers sind ebenfalls erforderlich. Außerdem müssen risikobasierte Kontrollmaßnahmen auf der Grundlage der vereinbarten Kontrollmechanismen durchgeführt werden, um die Einhaltung der Menschenrechtsstrategie beim unmittelbaren Zulieferer zu überprüfen. Die Wirksamkeit der Präventivmaßnahmen muss einmal jährlich und auf Ad-hoc-Basis überprüft werden.

Abhilfemaßnahmen - § 7: Im eigenen Geschäftsbereich müssen die Abhilfemaßnahmen zur Beendigung des Verstoßes führen. Ist der Verstoß bei einem direkten Zulieferer so beschaffen, dass das Unternehmen ihn in absehbarer Zeit nicht beenden kann, muss es unverzüglich ein Konzept zur Minimierung erstellen und umsetzen. Dabei ist eine vorübergehende Aussetzung der Geschäftsbeziehung vorgesehen, während Anstrengungen zur Risikominimierung unternommen werden. Die Beendigung einer Geschäftsbeziehung ist nur dann erforderlich, wenn die Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder einer Umweltverpflichtung als sehr schwerwiegend beurteilt wird, die Umsetzung der im Konzept entwickelten Maßnahmen nach Ablauf der im Konzept genannten Zeit keine Abhilfe schafft, dem Unternehmen keine anderen milderen Mittel zur Verfügung stehen und eine Erhöhung der Einflussmöglichkeiten des Unternehmens nicht erfolgversprechend erscheint.

Beschwerdeverfahren - § 8: Das Unternehmen muss sicherstellen, dass ein internes Beschwerdeverfahren vorhanden ist, das es Personen, die von wirtschaftlichen Aktivitäten im eigenen Geschäftsbereich oder von wirtschaftlichen Aktivitäten eines direkten Lieferanten direkt betroffen sind oder deren geschützte Rechtsposition verletzt werden kann, sowie Personen, die Kenntnis von der möglichen Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder einer Umweltverpflichtung haben, ermöglicht, auf Menschenrechts- und Umweltrisiken oder -verletzungen hinzuweisen.

Indirekte Zulieferer - § 9: Erhält das Unternehmen begründete Kenntnis von einer möglichen Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder einer Umweltverpflichtung bei indirekten Zulieferern, muss es unverzüglich 1. eine Risikoanalyse nach § 5 Abs. 1 bis 3 durchführen, 2. geeignete Präventivmaßnahmen im Sinne des § 6 gegenüber dem Verursacher festlegen, 3. ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung der Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder Umweltverpflichtung erstellen und umsetzen und 4. seine Grundsatzerklärung gegebenenfalls entsprechend aktualisieren.

Dokumentations- und Berichtspflicht - § 10: Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten muss im Unternehmen laufend dokumentiert werden. Das Unternehmen hat jährlich einen Bericht über die Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten im abgelaufenen Geschäftsjahr zu erstellen.

Sanktionen: Die Einhaltung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten wird durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überwacht. Verstöße können zu verschiedenen behördlichen Anordnungen und Maßnahmen führen (§ 24). Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro können mit Bußgeldern von bis zu 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes belegt werden. Als weitere Sanktionen drohen der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge für bis zu drei Jahre (§ 22 Sorgfaltspflichtgesetz, § 124 GWB), eine Vermögensabschöpfung (§ 29a OWiG) und die Eintragung in das Wettbewerbsregister (§ 125 GWB).

Die Klagebefugnis nach Abschnitt 11 soll es Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NRO) ermöglichen, die Interessen einer betroffenen Partei zu vertreten. Mit diesem Instrument werden jedoch keine neuen Ansprüche geschaffen. Eine Verletzung der Pflichten nach dem Sorgfaltspflichtgesetz begründet für sich genommen keine zivilrechtliche Haftung. Unabhängig davon bestehende Anspruchsgrundlagen, z.B. aus dem Deliktsrecht, bleiben unberührt. Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass das Sorgfaltspflichtgesetz kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sein soll. Eine deliktische Haftung besteht nur für eigene Pflichtverletzungen. Zulieferer sind keine Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB. Die Mithaftung nach § 830 BGB setzt Vorsatz voraus. Es gibt keinen Drittschutz durch Code of Conducts und Compliance-Klauseln.

Praxishinweis: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat einen Leitfaden zur Umsetzung des Gesetzes veröffentlicht:

Katalog mit allgemeinen Fragen: hier

Handout zur Risikoanalyse: hier

Fragenkatalog für die Berichterstattung: hier.

 Handout für das Beschwerdeverfahren: hier.

EU-Initiative: Zu guter Letzt geben wir einen Ausblick auf das EU-Lieferkettenrecht: Am 23. Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz zu unternehmerischen Nachhaltigkeitspflichten, den sogenannten EU Supply Chain Act, vorgelegt. Der EU Supply Chain Act geht deutlich über das ab Januar 2023 geltende deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) hinaus: Mit 500 bzw. 250 Mitarbeitern fallen deutlich mehr europäische Unternehmen unter die Regelung als unter das deutsche Gesetz, das nur für deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern gilt (ab 2024 mehr als 1.000 Mitarbeiter). Die EU-Richtlinie verpflichtet die Unternehmen, die gesamte Lieferkette zu prüfen, nicht nur die direkten Lieferanten wie im deutschen Lieferkettengesetz. Die neue EU-Verordnung sieht eine zivilrechtliche Haftung für Unternehmen vor. Betroffene können also vor europäischen Gerichten auf Schadenersatz klagen.

Handlungsempfehlungen zur Umsetzung und Implementierung des Lieferkettengesetz erhalten Sie auf Anfrage von Solerte

Autor: Solerte

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