Digitalisierung trifft Nachhaltigkeit: Wie Hinweisgebersysteme die ESG-Strategie revolutionieren.

In einer Zeit, in der ethische Verantwortung und gesetzliche Vorgaben immer stärker in den Vordergrund rücken, gewinnen digitale Hinweisgebersysteme – auch bekannt als Whistleblowing-Systeme – an Bedeutung. Diese Systeme bieten nicht nur eine Plattform für Mitarbeiter und andere Stakeholder, um potenzielle Verstöße gegen ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) zu melden, sondern sie sind auch ein Zeichen für Transparenz und Integrität von Unternehmen.

Whistleblowing bezeichnet den Akt, bei dem Einzelpersonen – oft Insider eines Unternehmens – Fehlverhalten, Unregelmäßigkeiten oder rechtswidrige Aktivitäten aufdecken. Dies kann von finanziellen Unregelmäßigkeiten bis hin zu Verstößen gegen Umwelt- und Sozialstandards reichen. Das Hauptziel eines Whistleblowing-Systems ist es, eine sichere und vertrauliche Plattform zu bieten, auf der solche Bedenken geäußert werden können. Es kann auch dazu beitragen, das Bewusstsein und die Sensibilisierung der Mitarbeiter für ESG-Themen zu erhöhen.

Die europäische Nachhaltigkeitsperspektive: CSRD

Europa hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte bei der Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien in seine wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen gemacht. Zu den Schlüsselinitiativen, die diese Bemühungen unterstreichen, gehört die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).

Die CSRD-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2022/2464) wurde 5. Januar 2023 verabschiedet und zielt darauf ab, die Transparenz von Unternehmen in Bezug auf ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen zu erhöhen. Sie verpflichtet Unternehmen, über ihre Nachhaltigkeitspraktiken und -ergebnisse in einer konsistenten und vergleichbaren Weise zu berichten. Dies soll nicht nur das Bewusstsein für nachhaltige Geschäftspraktiken schärfen, sondern auch Investoren, Stakeholdern und der breiten Öffentlichkeit ermöglichen, fundierte Entscheidungen auf der Grundlage von klaren und zuverlässigen Informationen zu treffen. Die CSRD ist ein entscheidender Schritt, um sicherzustellen, dass Unternehmen in der gesamten EU für ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft verantwortlich gemacht werden.

Whistleblowing bei ESG-berichtspflichtigen Unternehmen

Zu den Unternehmen die künftig zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, gehören alle kapitalmarktorientierten Gesellschaften sowie alle Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllen: 1. mindestens 250 Mitarbeitende, 2. über 40 Millionen Euro Umsatz und 3. über 20 Millionen Euro Bilanzsumme. Der Kreis der Verpflichteten wird sich in einem weiteren Schritt ab dem Jahr 2026 noch erweitern. Damit werden rund 49.000 Unternehmen in der EU betroffen sein.

Die EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) wurde am 16. Dezember 2019 verabschiedet. Gemäß dieser Richtlinie mussten die EU-Mitgliedstaaten die Bestimmungen bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umsetzen. Für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden gilt die Pflicht zur Einrichtung von Meldesystemen ab diesem Stichtag, also dem 17. Dezember 2021. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die genaue Umsetzung und das Inkrafttreten der Richtlinie von Land zu Land variieren bzw. noch variieren können, je nachdem, wie und wann die einzelnen EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben.

Wie wirken sich die neuen Standards auf Unternehmen aus, die bereits ESG-Berichte veröffentlichen? Die folgenden Beispiele zeigen, wie Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden die Whistleblower-Richtlinie zur Unterstützung ihrer ESG-Strategie bereits nutzen oder nutzen können:

  1. Förderung von Transparenz und Integrität: Durch die Einrichtung von Hinweisgebersystemen können Unternehmen ihre Transparenz und Integrität stärken, was wiederum das Vertrauen von Stakeholdern stärkt.

  2. Früherkennung von Risiken: Ein effektives Hinweisgebersystem ermöglicht es Unternehmen, potenzielle ESG-Risiken frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren, bevor sie zu größeren Problemen werden.

  3. Stärkung der Unternehmenskultur: Ein offenes Umfeld, in dem Mitarbeiter Verstöße ohne Angst vor Vergeltung melden können, fördert eine Kultur der Verantwortung und des ethischen Handelns.

  4. Einhaltung gesetzlicher Vorschriften: Die Einhaltung der Whistleblower-Richtlinie kann Unternehmen dabei helfen, auch andere regulatorische Anforderungen im ESG-Bereich zu erfüllen.

  5. Verbesserung der ESG-Berichterstattung: Rückmeldungen aus Hinweisgebersystemen können wertvolle Einblicke in ESG-bezogene Themen bieten und so die Qualität der ESG-Berichterstattung verbessern.

  6. Stärkung der Beziehungen zu Stakeholdern: Ein proaktiver Ansatz bei der Einrichtung und Förderung von Hinweisgebersystemen kann die Beziehungen zu Investoren, Kunden und anderen Stakeholdern verbessern, die zunehmend Wert auf ESG-Themen legen.

  7. Mitarbeiterbindung: Ein Unternehmen, das sich aktiv für den Schutz von Whistleblowern einsetzt, kann als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden, der sich um das Wohl seiner Mitarbeiter kümmert.

  8. Kontinuierliche Verbesserung: Durch die Berücksichtigung von Rückmeldungen aus Hinweisgebersystemen können Unternehmen kontinuierliche Verbesserungen in ihren ESG-Initiativen und -Praktiken vornehmen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die erfolgreiche Integration von Hinweisgebersystemen in die ESG-Strategie eine klare Kommunikation, Mitarbeiterschulungen und das Engagement des Top-Managements erfordert. Nur so können Unternehmen sicherstellen, dass die Systeme effektiv genutzt werden und einen Mehrwert für die ESG-Strategie bieten.

Whistleblowing bei „nicht oder noch nicht“ berichtspflichtigen KMU

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit mindestens 50 Mitarbeitende, die die Whistleblowing-Richtlinie ab dem 17.12.2023 umsetzen müssen, aber noch nicht von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen sind, haben dennoch gute Gründe, erste ESG-Aspekte zu erfüllen und proaktiv zu handeln. Beispiele und Best Practices von PwC und Rödl & Partner zeigen, dass viele mittelständische Unternehmen die Vorteile solcher Systeme bereits erkannt haben. Sie nutzen sie nicht nur zur Erfüllung von Compliance-Anforderungen, sondern auch als Instrument zur Verbesserung ihrer ESG-Performance und zur Stärkung ihres Markenimages. Die Einführung eines Whistleblowing-Systems kann ein erster Schritt in diese Richtung sein, zusätzlich zur Erfüllung der ohnehin verpflichtenden Regularien.

  1. Wettbewerbsvorteil: Frühzeitige Integration von ESG-Aspekten kann KMUs einen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern verschaffen, die diese Aspekte noch nicht berücksichtigen.

  2. Investoreninteresse: Immer mehr Investoren legen Wert auf ESG-Kriterien. KMUs, die in diesem Bereich proaktiv sind, können leichter Kapital anziehen.

  3. Kundenanforderungen: Ein wachsendes Segment von Verbrauchern bevorzugt Unternehmen, die nachhaltig und ethisch handeln. Dies kann zu erhöhter Kundentreue und -bindung führen.

  4. Risikominderung: Die Berücksichtigung von ESG-Aspekten kann dazu beitragen, betriebliche und rechtliche Risiken zu minimieren.

  5. Mitarbeiterbindung und -anwerbung: Viele Arbeitnehmer möchten für Unternehmen arbeiten, die soziale und ökologische Verantwortung übernehmen. Dies kann KMUs helfen, Talente zu gewinnen und zu halten.

  6. Zukunftssicherung: Frühzeitige Anpassung an ESG-Standards bereitet KMUs auf zukünftige regulatorische Anforderungen vor.

  7. Operative Effizienz: Viele ESG-Initiativen, insbesondere im Umweltbereich, können zu Kosteneinsparungen führen, z.B. durch Energieeffizienzmaßnahmen.

  8. Reputation und Markenimage: Ein proaktiver Ansatz in Bezug auf ESG kann das Image eines Unternehmens in der Öffentlichkeit verbessern.

  9. Zugang zu neuen Märkten: Einige Märkte und Branchen setzen bereits ESG-Standards voraus. KMUs, die diese Kriterien erfüllen, können neue Geschäftschancen nutzen.

  10. Langfristige Wertschöpfung: ESG-Initiativen können zur langfristigen Wertschöpfung beitragen, indem sie die Unternehmensleistung und -resilienz verbessern.

Insgesamt erkennen immer mehr KMU, dass die Integration von ESG-Aspekten nicht nur eine Frage der Compliance ist, sondern auch erhebliche geschäftliche Vorteile bringen kann.

Das Buch "Fallstudien zur digitalen Transformation" unterstreicht auch die Bedeutung digitaler Tools und Systeme, einschließlich Hinweisgebersystemen, für moderne Unternehmen, die in einer zunehmend komplexen und vernetzten Geschäftswelt bestehen wollen.

Whistleblowing-Systeme als Bestandteil einer effektiven ESG-Strategie

Angesichts der neuen regulatorischen Anforderungen der CSRD stellt sich die Frage, wie Unternehmen sicherstellen können, dass sie nicht nur die Berichtsanforderungen erfüllen, sondern auch proaktiv auf potenzielle ESG-Risiken reagieren? Die Kombination von Regulierung und innovativen digitalen Lösungen kann der Schlüssel sein.

Digitale Hinweisgebersysteme sind ein wesentlicher Bestandteil einer effektiven ESG-Strategie. Solche Systeme ermöglichen es Mitarbeitern und anderen Stakeholdern, potenzielle ESG-Risiken und Verstöße frühzeitig zu melden, so dass Unternehmen schnell reagieren und geeignete Maßnahmen ergreifen können und gleichzeitig die Anforderungen neuer regulatorischer Rahmenbedingungen erfüllen.

Schlussfolgerung: «Ein Hinweisgebersystem macht noch keine ESG-Strategie, eine ESG-Strategie ohne Hinweisgebersystem ist jedoch unvollständig.»

Die Verknüpfung von Regulatorik und ESG-Strategie ist komplex, aber unerlässlich für Unternehmen, die in der heutigen Geschäftswelt erfolgreich sein wollen. Digitale Hinweisgebersysteme spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie Unternehmen helfen, proaktiv auf ESG-Risiken zu reagieren und gleichzeitig die Anforderungen neuer regulatorischer Rahmenbedingungen wie der CSRD zu erfüllen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass digitale Hinweisgebersysteme im Kontext einer ESG-Strategie für KMUs von entscheidender Bedeutung sind. Sie bieten nicht nur einen Mechanismus zur Einhaltung von Vorschriften, sondern können auch dazu beitragen, das Vertrauen von Stakeholdern zu stärken und die ESG-Performance insgesamt zu verbessern.


Quellen:

Autor: Solerte

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